Reflexionen und Erkenntnisse der Erkundungsreise

Seit Anfang Oktober hat das Bright-Futures-Team seine einmonatige Erkundungsreise nach Kerala (Indien) erfolgreich abgeschlossen.

Das Hauptziel dieser Reise war es, landwirtschaftliche Betriebe vor Ort zu besuchen und ein tieferes Verständnis der lokalen Produktionssysteme zu gewinnen, darunter ihrer Strukturen, Herausforderungen und Chancen. Die gewonnenen Einblicke halfen den Promotionsstudierenden dabei, ihre Forschungsfragen zu schärfen, ihre methodischen Ansätze zu festigen und ihre Forschungsinstrumente an den lokalen Kontext anzupassen.

Nachfolgend finden sich die Reflexionen und wichtigsten Erkenntnisse der Forscherinnen und Forscher:

Hannah Melcher (Biodiversität und Ökosystemleistungen)

„Nachdem ich bisher nur darüber gelesen und von anderen Forschenden viel über unsere Studienregion gehört hatte, war es sehr wertvoll, selbst nach Wayanad in Kerala zu reisen. Die Begegnungen mit engagierten Landwirt*innen, die sehr vielfältigen Agroforstsysteme und der Austausch mit lokalen Forschungseinrichtungen und NGOs haben mir geholfen, meine Forschungsfrage klarer zu fassen.

Die große Vielfalt- sowohl auf den Betrieben als auch in den sozialen Netzwerken der Landwirt*innen, war wichtig für die Planung meiner Feldarbeit. Diese Vielfalt macht es zwar herausfordernd, eine passende Studie zu entwickeln, bietet aber gleichzeitig eine tolle Chance, einen Biodiversität-Hotspot aus sozioökologischer Sicht zu untersuchen.“

Im Austausch mit Amal, einem Reisbauern aus Wayanad, aktivem Mitglied von EcoFriends und Doktorand in Zoologie an der örtlichen Universität.
Eine von Hannahs vielen Beobachtungen zur Biodiversität auf den Farmen in Wayanad.

Hannah Uther (Ökosystemökologie)

„Wir haben unser Promotionsprojekt damit begonnen, unsere Forschung in Indien zu planen, nach relevanten Forschungsfragen zu suchen und ein sinnvolles Forschungsdesign zu entwickeln. Wir dachten, wir wüssten, was wir tun wollten und könnten. Doch erst durch die Reise nach Kerala, besonders nach Wayanad, und den direkten Blick auf die dortigen Betriebe und agroökologischen Systeme hat sich unsere Perspektive grundlegend erweitert.

Vor allem die Gespräche mit den Landwirt*innen über ihre persönlichen Erfahrungen, das Ernährungssystem, Anbaumethoden sowie ihre Chancen und Herausforderungen, waren eine großartige Möglichkeit, ein viel tieferes Verständnis für das landwirtschaftliche System und seine sozioökologischen Wechselwirkungen zu gewinnen.

Auch der Austausch mit Forschenden der Kerala Agricultural University (KAU) hat uns geholfen zu verstehen, welche praxisorientierte Forschung bereits stattfindet, starke Kooperationen aufzubauen und unsere eigenen Arbeiten an die bestehenden Aktivitäten sowie an lokale Anforderungen und Bedürfnisse anzupassen.“

Beim Inspizieren des Bodens mit Illias, einem Landwirt aus Thrissur und Präsidenten der Organic Farming Association of India (OFAI).
Einblicke in die kleinbäuerliche Milchindustrie in Kerala.

Navya Miriam Itty (Sozioökologie)

„Im September war ich mit dem Team zur Erkundungssreise  unserer Studie in Kerala. Wenn man mehr als die Hälfte seines Lebens an einem Ort verbringt, übersieht man schnell vieles- die Landschaft, die Biodiversität, das Essen, die Sprache, die Herzlichkeit. Durch die Rückkehr im Rahmen der Forschung konnte ich all diese Dinge neu sehen und schätzen.

Wir sprachen mit Landwirtinnen, Forschenden und Praktikerinnen, die sehr unterschiedliche Einblicke in die sich stark verändernde Agrarlandschaft Wayanads gaben. Dieses lokal verankerte Wissen wird für die Kontextualisierung meiner Forschung enorm wertvoll sein. Gleichzeitig war es belastend zu sehen, wie komplex und tiefgreifend die Probleme sind, die Menschen heute aus der Landwirtschaft drängen.

Eine Frage eines Landwirts begleitet mich seitdem: ‚Wie kann deine Arbeit uns in unserem Kampf helfen?‘ Sie erinnert mich daran, über meine Rolle als Forscherin und meine Verantwortung in gegenseitigen Beziehungen nachzudenken. Die große Herausforderung ist für mich, wie sich Wissenschaft wieder in die Gesellschaft zurücktragen lässt- wie meine Forschung vor Ort wirklich etwas bewirken kann.“

Navya knüpft Kontakte zu Landwirt:innen im ländlichen Wayanad.
Aktive Beteiligung an der lokalen Landwirtschaftsgemeinschaft während eines Workshops von EcoFriends.

Bowy den Braber, Postdoc

Ich bin gerade von einer Erkundungsreise für das Bright Futures Projekt in Kerala, Indien, zurückgekehrt. In diesem Projekt wollen wir von außergewöhnlichen Landwirt:innen weltweit lernen, die Wege gefunden haben, ihre Höfe nachhaltig für Menschen und Biodiversität zu gestalten. Unser Team, darunter Navya Miriam Itty, Hannah Melcher, Hannah Uther, Huei Ying Gan und Ingo Grass, hat mit Kolleg:innen von der Kerala Agricultural University gesprochen und vor allem mit den Landwirt:innen in Wayanad, dem landwirtschaftlichen Zentrum von Kerala.

Wayanad ist so ein heller Fleck nachhaltiger Landwirtschaft, voller besonderer Menschen. Wir trafen den „Bananenmann“, der als Hobby 100 verschiedene Bananensorten auf seinem Hof anbaut und so die genetische Vielfalt für kommende Generationen bewahrt. Oder den Doktoranden, der nebenbei Landwirtschaft betreibt, weil er seine Leidenschaft nicht aufgeben will, und trotzdem noch Zeit hat, Vorführungen zur Herstellung von Bio-Dünger zu geben.

Durch ihre waldähnlichen Höfe zu wandern, fühlte sich fast wie ein Traum an, und regt zum Nachdenken an. Wenn es solche leuchtenden Orte gibt, was mache ich dann eigentlich im Büro? An einem Projekt über „bright futures“ zu arbeiten, kann einen manchmal fast wahnsinnig machen in einer Welt, die oft so düster erscheint. Was kann eine Wissenschaftlerin wie ich gegen solche Kräfte ausrichten?

Wenig, aber nicht nichts. Vielleicht ist dieses Büro mit den Neonlichtern mein kleines Schlachtfeld. Bewaffnet mit Chai am Morgen kämpfen wir uns durch Nebel aus Papier, besiegen Reviewer 2 und schmieden unsere Ideen im Feuer des Wissenschaftlichen Publizierens. Dort werden wir unsere Stellung beziehen, um die Welt heller zu machen: aus  kleine Flecken wachsen große Kreise, und aus diesen Kreisen wird die ganze Welt.

Bericht aus Deutschland, während ich an die Höfe in Kerala denke.

Besuch auf dem Hof von Herrn Nishanth Keloth, dem „Bananenmann“.
Eine Entdeckungstour durch das komplexe Agroforst- und Mischkultursystem in Wayanad.

Neben den Felduntersuchungen hatte die Erkundungsreise auch das Ziel, neue Kooperationen aufzubauen und bestehende Partnerschaften zu stärken. Im Rahmen dieser Mission besuchte das BRIGHT-Futures-Team Dr. Archana Sathyan und ihre Kolleg:innen an der Kerala Agricultural University (KAU) in Vellayani, Süd-Kerala. Während ihres Aufenthalts hielt das Team mehrere Meetings und Präsentationen ab und tauschte sich mit Fakultätsmitgliedern des Departments für Bodenkunde & Agrarchemie sowie des Departments für Agrarentomologie aus.

Insgesamt fand der Austausch mit akademischen Partnern an drei KAU-Campusstandorten (Vellayani, Thrissur und Wayanad) statt. Ein wichtiges Ergebnis dieser offiziellen Treffen war der Entwurf eines Memorandum of Understanding (MoU) zur Zusammenarbeit zwischen BRIGHT-Futures und KAU, initiiert von Dr. Archana Sathyan. Zudem laufen die Vorbereitungen für Unterauftragsverträge (Mittelweiterleitungsvertrag), die die Projektkosten in Kerala- etwa für Probenahmen, Personal und Betrieb, abdecken sollen.

Während der Feldarbeit tauschte sich das Team mit 18 Landwirt:innen aus, die verschiedene Hintergründe und Anbaumethoden repräsentieren, darunter ökologische und konventionelle Landwirt:innen, Stammesangehörige, Frauen und Mitglieder etablierter ökogenerativer Landwirtschaftsnetzwerke. Außerdem besuchten sie mehrere Bauernkooperativen und lokale NGOs, wie zum Beispiel: